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Perspektiven der sozial-ökologischen Hochschulpolitik

Einleitung

Das Thema Ökologie ist für unsere Gesellschaft und die Welt allgemein von steigender Bedeutung. Zunehmende Umweltkatastrophen, Umweltverschmutzung durch die Industrie und den Verkehr, Naturzerstörung für kapitalistische Mehrwerterzeugung und vieles mehr liefern die Grundlage dafür, dass der Mensch sich mittelfristig die eigene Lebensgrundlage entzieht. Dafür sind zwei Erkenntnisse von zentraler Bedeutung: (1) Der Wandel des Klimas und die Zerstörung ist von Menschenhand gemacht und kann auch nur von Menschenhand aufgehalten werden. (2) Der Eckpfeiler sozialistischer Politik, die Sicherung einer problemfreien materiellen Reproduktion für alle Lebewesen, umfasst ebenfalls die Sicherung der natürlichen Grundlagen des Lebens auf der Erde. Dadurch wird die ökologische Frage zwangsweise auch Teil der sozialen Frage und muss auch in unserer Politik Beachtung finden. Nachdem die Ökologie besonders in den Anfängen der Juso-Hochschulgruppen eine besondere Bedeutung eingenommen hat, soll dieser Antrag einen Anfang darstellen, um dieses Themengebiet wieder für die jungsozialistische Hochschulpolitik zu erschließen.

 

Unser Verständnis von sozial-ökologischer Politik ist, dass der Mensch Teil der Natur ist und ohne selbige nicht existieren kann. Die Sicherung einer intakten Umwelt ist deswegen für uns nicht Selbstzweck, sondern notwendiger Teil der materiellen Reproduktion. Der gleiche Zugang zu sauberem Wasser, zu gesunden Lebensmitteln, zu reiner Luft ist genauso Teil von sozialer Gerechtigkeit wie die Abwesenheit von Lärm und sonstiger Umweltverschmutzung. Entsprechend unseren egalitären, sozialistischen Idealen muss eine solche intakte Umwelt allen Menschen gleichermaßen und unabhängig von ihrem Einkommen oder Vermögen zur Verfügung stehen, auch wenn klar sein muss, dass starke Schultern für die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben (wozu auch Umweltschutz gehört) mehr zu tragen haben. Dafür bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen sozial-ökologischen Transformation, welche nicht nur die Industrie, sondern alle Lebensbereiche abdeckt und dabei nicht autoritär vorgeht, sondern alle Menschen demokratisch einbindet. Wir stellen uns der Herausforderung, unsere Lebenswelt, die Hochschulen und Universitäten, in die Richtung dieses Ideals zu entwickeln.

Ökologische Hochschule

Die Hochschulen als Ort der freien Bildung und Forschung müssen ein verantwortungsvolles Vorbild in Sachen ökologischer Gestaltung einnehmen. Dazu zählen für uns verschiedene Teilbereiche, welche Beachtung finden müssen.

Im Bereich der Energie- und Ressourcenverwendung ist besonders die Verschwendung eben dieser anzuprangern. Ein erstes Ziel muss also die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz an den Hochschulen sein. Deshalb fordern wir:

  • Digitales Arbeiten hat Vorrang: Scanner sind kostenlos zur Verfügung zu stellen und die Anzahl von Kopierern zu verringern. Alte Kopiergeräte sind dabei durch modernere, effizientere Geräte mit kostenloser Scanfunktion zu ersetzen.
  • Stärkere Verwendung ökologischer Ressourcen: Wo Papier Anwendung findet, soll es beispielsweise durch gleichwertiges Recyclingpapier ersetzt werden.
  • Energieverschwendung den Kampf ansagen: An den Hochschulen gibt es viele Bereiche, die unheimlich viel Energie in Form von Wärme und Licht verschwenden. Ganz vorne dabei liegen Mensen und größere Empfangshallen. Um die Verschwendung einzudämmen müssen deswegen regelmäßige Hausbesichtigungen mit fachkundigem Personal stattfinden und bei Neubauten auf eine möglichst passive Bauweise geachtet werden.

Einen wichtiger Punkt nimmt für uns darüber hinaus ein Aspekt ein, welcher am besten mit dem Begriff der „ökologischen Sozialpolitik“ umschrieben werden könnte. Dies beinhaltet für uns alle Maßnahmen, die dazu beitragen, dass ökologisch korrektes Handeln allen zugänglich gemacht wird und ihnen monetären Vorteile nahegelegt werden. Erste Forderungen für diesen Bereich wären:

  • Einrichtung von kostenlosen Energieberatungen für Studierende
  • Kostenloser Verleih von Stromzählern
  • Veröffentlichung von Kennzahlen zum Energie- und Ressourcenverbrauch von Studierendenwohnheimen und Verteilung von Informationen zum Sparen seitens der Studierendenwerke beim Mieter*innernwechsel
  • Veranstaltung von hochschulweiten Klimawochen

Wo Energie und Ressourcen verbraucht werden, müssen sie auch irgendwo produziert werden. Eine solche Produktion von Energie muss in möglichst schonender und nachhaltiger Art und Weise geschehen, um zukunftsfähig und ökologisch seien zu können. Wir bekennen uns deshalb zu einer Versorgung aus 100% Erneuerbaren Energien und zu einem möglichst zeitnahen Ausstieg aus jeglicher fossilen Energiegewinnen. Die Hochschulen können hier mit gutem Beispiel voran gehen, weshalb wir folgende Forderungen aufstellen:

  • Die Hochschulen zu kleinen Kraftwerken ausbauen: Eine Versorgung aus Erneuerbaren Energien muss und kann wesentlich stärker auf dezentrale Energiegewinnung setzen, auch wenn die gesamte Energiemenge ohne zentrale Großprojekte nicht zu bewältigen ist. Deshalb müssen Hochschulen sich ebenfalls an der Produktion sauberen Stroms beteiligen, was sich auch mit Lehrforschung im Rahmen verschiedener Studiengänge kombinieren lässt. Dachflächen werden zu Solarkraftwerken, Freiflächen zu Windparks und Müllsammelstationen zu Biokraftwerken. Hochschulen bieten den Raum und das Know-How, um unsere Energieversorgung von Morgen weiterzuentwickeln und auch zu erproben.
  • Sauberen Strom für unsere Hochschulen: Auch wenn die Hochschule noch keinen eigenen Strom produziert oder selbst nicht all ihre Energie produzieren und speichern kann, muss Strom fließen. Doch dieser Strom muss möglichst sauber sein, weshalb wir uns dafür einsetzen, dass alle Hochschulen auf eine Versorgung mit Öko-Strom umsteigen.
  • Hochschulen sind von der EEG-Umlage zu befreien.

 

Nachhaltige Bildung

Eine sozial-ökologische Zukunft braucht eine Bildung, welche Menschen über ihr Handeln aufklärt, sie zum Reflektieren über individuelles und kollektives Handeln anregt und hilft, Handlungsalternativen zu entwickeln. Dafür braucht es einen bundesweiten Pakt für „Ökologische Bildung und Ausbildung“, wie er auch von Seiten der SPD bereits angedacht wurde.

Für einen solchen Pakt sind für uns vier Punkte von zentraler Bedeutung:

  1. Schaffung von interdisziplinärem, ökologischem Bewusstsein in der Lehre: Für Studierende ist es von großer Bedeutung, nicht nur über die sozialen, sondern auch die ökologischen Folgen und Zusammenhänge ihres Studiums aufgeklärt zu werden und sich aufklären zu können. Deswegen sprechen wir uns für das Angebot und die Verankerung interdisziplinärer Lehrangebote mit ökologischem Schwerpunkt aus.
  2. Ökologisch-bewusste Lohnarbeit („green jobs“) braucht entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten: Die meisten Menschen nutzen die Hochschulen, um sich auf die anschließende Aufnahme einer Lohnarbeit vorzubereiten. An vereinzelten Hochschulstandorten sind dabei auch spezielle Angebote für die Betätigungsfelder im Bereich der sogenannten „green jobs“ entstanden, welche jedoch aufgrund von Studienplatzbeschränkungen und Zulassungshürden nur wenigen Studierenden zugänglich sind. Dieses Angebot muss ausgebaut werden, um allen Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich bei Interesse auf dieses zukunftsträchtige Berufsfeld vorzubereiten. Dazu zählen weniger spezialisierte Studiengänge oder gar Hochschulen, sondern vielmehr die Möglichkeit, entsprechende Studienvertiefungen wählen zu können.
  3. Neue Betätigungsfelder brauchen entsprechende Bildungsangebote und Forschungszusammenhänge auch – und besonders – als kostenfreie Fort- und Weiterbildungen: Der sozial-ökologische Wandel darf nicht dazu führen, dass ältere Arbeiter*innen abgehängt werden und lediglich junge, nachwachsende Fachkräfte die Möglichkeit haben, sich in ökologisch-verantwortlichen Bereichen zu betätigen. Hochschulen müssen hier in die Lage versetzt werden, kostenfreie Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.
  4. Ökologisch-notwendige Umschulungen sozialverträglich gestalten: Zur Wahrheit einer sozial-ökologischen Transformation gehört auch, dass bestimmte Betätigungsfelder aussterben werden, da sie nicht im Sinne einer sozial-ökologischen Gesellschaft funktionieren, hier ist z.B. der umweltschädliche Kohleabbau zu nennen. Das Aussterben von umweltschädlichen Beschäftigungsfeldern darf jedoch nicht dazu führen, dass die Arbeiter*innen plötzlich auf der Straße stehen – „der Markt“ schafft hier gar nichts! Deshalb muss der sozial-ökologische Wandel der Arbeitswelt aktiv begleitet werden durch die Bereitstellung von vielseitigen Umschulungsmaßnahmen vor allem für die Arbeiter*innen aus besonders umweltschädlichen Bereichen. Hierzu würde z.B. ein Programm zur Umschulung ehemaliger Kohlekumpel zählen.
  5. Ökologisches Bewusstsein bei Lehrer*innen schaffen: Die Schulzeit spielt in der Persönlichkeitsbildung junger Menschen eine entscheidende Rolle. Damit Schüler*innen frühzeitig an Themen der Nachhaltigkeit und Ökologie herangeführt werden, müssen Pädagog*innen über umfassende Kenntnisse in eben diesen Bereichen verfügen. Wir fordern daher sozial-ökologische Bausteine verstärkt ins Lehramtsstudium zu integrieren. Die Forderung bezieht sich auf alle Schulformen und Bundesländer. So können folgende Generationen ein tieferes und umfassenderes ökologisches Bewusstsein ausbilden.

 

Ein solcher Pakt für „Ökologische Bildung und Ausbildung“ darf natürlich nicht an den Hochschulen aufhören, sondern muss auch in die Bereiche der schulischen und beruflichen Bildung hineinreichen. Jedoch ist es an uns, an den Hochschulen ein Beispiel für die Möglichkeiten der ökologischen Bildung zu schaffen und vorzuleben.

 

Nachhaltige Forschung

Über die sozial-ökologische Transformation der Hochschule und ihrer Infrastruktur hinaus spielt natürlich auch der Bereich der Forschung eine zentrale Rolle. Ökologisch-bewusste Forschung speist sich dabei aus einem möglichst umweltschonenden Forschungsprozess, an welchem sich alle Forschungsbereiche auch inhaltlich beteiligen können. Für eine nachhaltige Forschungspraxis stellen wir deshalb die folgenden Forderungen auf:

  • Schutz von Tier und Natur: Wie beim Bundeskoordinierungstreffen im Sommersemester 2013 beschlossen, stehen wir ein für einen umfassenden Tierschutz. Dieser muss ergänzt werden um einen möglichst weitgehenden Schutz von Naturressourcen, was beispielsweise durch akademische Kontrollkommissionen an den Hochschulen und die verstärkte Berücksichtigung von ökologischen Aspekten in der Vergabepraxis öffentlicher Drittmittelgeber passieren kann.
  • Das Potenzial in allen Fachbereichen erkennen: Nicht nur die Umweltwissenschaften können etwas zum Umweltschutz beitragen. Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung ist ebenso relevant wie Fragen zur Beseitigung der Langzeitschäden des Kohleabbaus in der Geologie. Diese Themen müssen von öffentlicher Seite aus verstärkt gefördert und auch von Seiten der Studierenden vermehrt gefordert werden.

 

Fazit

Dieser Antrag kann nur den Grundstein einer weiterführenden Debatte über eine sozialistische Perspektive auf die ökologischen Probleme unserer Zeit legen. Es ist dabei stets von Bedeutung die ökologische Frage auch als soziale Frage zu begreifen und die sozial-ökologische Transformation nicht durch autoritäre Machtpolitik durchzudrücken, sondern gemeinsam mit den Menschen darüber zu diskutieren und konkrete Politiken vor Ort und im Bund zu entwickeln. Dieser Antrag stellt erste Grundlinien für die sozialistische Herangehensweise dar und soll als Leitfaden für konkrete Lösungsansätze dienen.