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Die Große Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf folgende Aussage geeinigt: Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.
Koalitionsvertrag SPD, CDU/CSU, 2018, S. 87, Z. 4028

Zu dieser Einigung gibt es bereits eine Vielzahl an kritischen Stimmen. Greenpeace nennt diese in einer Stellungnahme zum Koalitionsvertrag eine „Absonderliche Forderung angesichts der Tatsache, dass eine Vielzahl von illegalen Nutztierhaltungen erst durch Filmaufnahmen aus Ställen bekannt und geahndet wurden.“

Und die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Menschen für Tierrechte, Dr. Christiane Baumgartl-Simons, fordert: „Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag muss umgehend gestrichen werden. Sie verstößt gegen geltendes Recht. Peinlich genug, dass das OLG Naumburg der Politik Nachhilfeunterricht geben muss, wie das Staatsziel Tierschutz in die Praxis umzusetzen ist. Tierschutzverstöße in Ställen und Laboren passieren viel zu oft und sind die Folge von Unrechtsbewusstsein der Verursacher in Kombination mit unterbesetzen Veterinärverwaltungen und unklaren Rechtssituationen. Naumburg hat gestern unüberhörbar den Startschuss zum Ausmisten der staatlich sanktionierten Tierquälerei gegeben. Jetzt muss tatkräftig zugepackt werden“.

Nach diesem Naumburger Urteil (OLG) sind Stalleinstiege zur Dokumentation bei sicherem Wissen über Rechtsverstöße, ohne Zerstörung oder Entnahme von Eigentum und bei Anwendung des mildesten Mittels straffrei. Eine wesentliche Rolle spielt hier der § 34 Strafgesetzbuch (StGB) (Rechtfertigender Notstand).

Geäußert hat sich auch die Landestierschutzbeauftragte von Hessen, Dr. Madeleine Martin.

„Nach Martin sind solche Urteile die Spitze des Eisberges beim deutschlandweiten Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht. Eine Tierschutz-Routinekontrolle auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ist in einigen deutschen Landkreisen „so häufig wie ein Sechser im Lotto“. Das läge, so Martin, zum einen daran, dass viele Veterinärämter chronisch und seit Jahren unterbesetzt seien, zum anderen aber auch, dass AmtstierärztInnen aus Verbundenheit mit der Landwirtschaft, fehlendem Engagement oder Angst um ihre Karriere über schwerwiegende Missstände hinwegsähen und in solchen Fällen dem Tierhalter nicht einmal unrechtmäßig erhaltene EU Fördermittel kürzen ließen.“

Sie fordert von Bund und Länder:

  • Zeit- und aufgabenmäßige Ausstattung von Veterinärämtern
  • Finanzielle Unterstützung des Bundes an die Länder, für eine zeitnahe Umsetzung
  • Aktive Unterstützung von Amtstierärzten durch die politisch Verantwortlichen

Position von Sozis für Tiere

Solange wir noch Tiere produzieren und dabei massive Vollzugsdefizite in der Kontrolle zulassen sind Stalleinstiege notwendig. Die Kriminalisierung von Recherchearbeit, Verdeckung des politischen Versagens und Beibehaltung des Vollzugsdefizits ist abzulehnen. Folglich lehnen wir auch die Einigung im Koalitionsvertrag ab. Stattdessen ist eine grundsätzliche Neuausrichtung der Menschen-Tiere-Verhältnisse und der Landwirtschaft notwendig. Wir fordern eine Landwirtschaft ohne Ausbeutung und Tierproduktion.

Bild: Animal Rights Watch e.V. (ARIWA)