Wie können Tierschutzforderungen stärker in die Politik eingebracht werden? Was muss sich in der Agrarpolitik verändern? Ist nun die Politik oder die Zivilgesellschaft gefragt? Diesen Fragen stellte sich am 08.09.2018 das Podium anlässlich der Vereinsgründung in Berlin. Wir freuen uns einen kleinen Bericht zur Verfügung stellen zu können. Auf dem Podium saßen Frank Meuser, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Tierschutzbundes und Geschäftsführer der Abteilung Politik, Stefan Sander, Sprecher Sozis für Tiere, Dr. Friederike Schmitz, Autorin und Referentin zu Ethik und Politik der Mensch-Tier-Beziehung und Umweltethik und Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ramona Kopec, Sprecherin von Sozis für Tiere.
Das Tierwohllabel
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen sowohl konkrete Maßnahmen wie das Tierwohllabel als auch alternative Agrar-Methoden und Utopien. Obwohl die Teilnehmer*innen sich über die Notwendigkeit eines weitergehenden Tierschutzes einig waren, wurde auch kontrovers diskutiert, z.B. über das Tierwohllabel, das Verbraucher*innen beim Einkaufen Orientierung geben soll sich für ein Tierprodukt aus besseren Produktionsbedingungen zu entscheiden. Während Frank Meuser, deutlich machte, dass es hier zwar nur um kleine Schritte gehe, es jedoch für Nutztiere eine erhebliche Verbesserung darstelle, kritisierten die anderen Teilnehmer*innen, dass ein solches Label nicht ausreiche. Ein Tierwohllabel würde über die Tatsache hinwegtäuschen, dass dennoch Tierleid stattfinde. Die Philosophin Friederike Schmitz bemängelte außerdem, dass im (konventionellen) Tierschutz die Tötung der Nutztiere nicht thematisiert werde, sondern es immer nur um eine Verbesserung der Haltung gehe. Dabei würden die Tiere allein aus dem Grund der anschießenden Tötung gehalten. Zudem erschwere die Diskussion um geringfügig bessere Haltungsbedingungen einen Diskurs über grundsätzliche Frage ob und wie viele Tiere wir zukünftig produzieren wollen.
Clean-Meat und biozyklisch-vegane Landwirtschaft
Ein weiteres für das Publikum interessantes Thema war die Zukunft von Clean-Meat („In-Vitro-Fleisch“). Noch ist die Forschung am Fleisch aus der Petrischale nicht reif für die Massenproduktion, doch verspricht sie tierleidfrei zu sein. Noch ist sie das jedoch nicht, erklärte Konstantinos Tsilimekis, denn für die Produktion des Fleisches sind tierische Stammzellen notwendig. Diese werden zurzeit noch aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen. Wenn dafür eine andere Lösung gefunden werde, da waren sich Konstantinos Tsilimekis und Stefan Sander einig könnte es zu einer tierleidfreien Massenproduktion von Fleisch kommen und somit zukünftig zu einer Alternative werden. Tsilimekis machte sich außerdem für den biozyklisch-veganen Anbau stark. Eine Anbaumethode, die ohne tierische Düngemittel auskommt, sich seiner Meinung nach auch großflächig im Anbau einsetzen ließe von der Politik jedoch noch nicht als solche wahrgenommen werde.
Zukunft und Utopie
Wie die Agrarwirtschaft der Zukunft aussehen könnte erklärte auch Friederike Schmitz. Sie beschrieb eine Zukunft, in der es keine Nutztierhaltung mehr gibt, in der der Anbau der Nahrungsmitteln weitgehend lokal und in überschaubaren Gemeinschaften auf Solidarprinzip organisiert ist, in der weltweit gerechte Löhne in der Lebensmittelproduktion gezahlt werden. Sie machte an dem Abend deutlich, dass es keine Haltungsform gibt, die den Bedürfnissen der genutzten Tiere gerecht werde. Außerdem sei es auch aus Klimagründen notwendig aus der Tierproduktion auszusteigen. Dafür gelte es unter anderen die Produktionsmengen zu reduzieren, keine neue Anlagen mehr zu bauen und pflanzliche Lebensmittel zu fördern.
Zivilgesellschaft und Politik
Die Teilnehmer*innen waren sich einig, dass Bürgerinitiativen oder kommunale Ernährungsräte, für eine Wandel eine gute Basisbewegung darstellen können, dass aber die Politik vielmehr die Aufgabe habe die Grundbausteine zu legen, diese Aufgabe aber kaum wahrnehme. Kritisiert wurde auch die Haltung der SPD. Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt, ob die SPD „jetzt wo die Wähler eh weglaufen“ nicht eine linkere Tierrechtslinie einnehmen könne. Stefan Sander gab zu, dass die SPD viel mehr für den Tierschutz machen müsse, allerdings dürfe man auch nicht die Erfolge von Aktivisten aus dem Blick verlieren. Sander führte weiter beispielhaft aus, dass es dort, wo sich Menschen in der SPD für Tiere engagieren, immer auch zu weit(er)reichenden Forderungen kommt. Er machte dies insbesondere an den Positionierungen der Juso-Hochschulgruppen sowie der Jusos und der SPD Hessen-Nord fest.
Sozis für Tiere bedankt sich bei dem Podium und den Gästen. Über zukünftige Veranstaltungen informiert der Newsletter!