SPD-Landtagskandidat Carsten Singer über Schulmensen, Tierproduktion und die vegane Lebensweise.
Sozis für Tiere: Lieber Carsten, du bist Lehrer an einem Gymnasium in Stuttgart und kandidierst für den Landtag. Was sind deine Themen?
Carsten Singer: Mein Wahlkampf steht unter dem Schlagwort Gerechtigkeit. Ich will mich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Als Lehrer habe ich da vor allem eine gerechtere Bildungspolitik im Blick. Der schulische Erfolg darf nicht mehr so stark von der sozialen Herkunft abhängen. Gleichzeitig müssen wir unseren Lebensraum für die kommenden Generationen erhalten. Ich setze mich deshalb für einen stärkeren Umwelt- und Klimaschutz und für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaftspolitik ein.
Aber Gerechtigkeit hört für mich nicht beim Menschen auf. Wir müssen aufhören, Lebewesen wie Güter zu behandeln.
Sozis für Tiere: Du setzt dich also auch für mehr Tierschutz ein. Wie steht es um den Tierschutz in Baden-Württemberg?
Carsten Singer: Leider sehr schlecht. Baden-Württemberg war in letzter Zeit vor allem wegen der Skandale in Schlachthöfen in den Schlagzeilen. Im Internet findet man Bilder und Videos dazu. Allerdings braucht man dazu einen starken Magen, da dort zu sehen ist, wie Schweine auf die Absperrungen geschleudert werden oder bei der Schlachtung offensichtlich noch bei Bewusstsein sind.
Sozis für Tiere: Auf den sozialen Medien hast du allerdings ein Video vor dem Schlachthof in Gärtringen im Landkreis Böblingen gedreht. Warum genau dort?
Carsten Singer: Das Beispiel in Gärtringen zeigt auf traurige Art und Weise sehr gut, wie Tierschutz von ganz oben, in diesem Fall vom Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Peter Hauk (CDU), untergraben wird. Denn das zuständige Landratsamt hat mehrmals Zwangsgelder gegen den Schlachthof verhängt. Diese wurden jedoch auf Anweisung des Ministeriums zurückgezogen. Wie der Zufall so will, war der damalige Vorsitzende der Schlachthof-Genossenschaft ebenfalls CDU-Mitglied.
Sozis für Tiere: Und du kandidierst nun für den Landtag um das besser zu machen. Was würdest du konkret für mehr Tierschutz unternehmen?
Carsten Singer: Erstmal muss es damit beginnen, das Personal in den Veterinärämtern zu stärken und diese ihre Arbeit unabhängig machen zu lassen. Leider wird hier zu oft Druck von „oben“ ausgeübt. Das macht das Beispiel mit Peter Hauk offensichtlich.
Zweitens brauchen wir mehr Ernährungsbildung an den Schulen. Schülerinnen und Schüler müssen über die Konsequenzen ihres Konsums Bescheid wissen. Ansonsten können sie als Verbraucher keine unabhängigen Entscheidungen treffen.
Wir brauchen drittens mehr Optionen für Vegetarier und für Veganer. Ich ernähre mich z.B. fast ausschließlich vegan, aber an unserer Schule gibt es nur ein Fleisch-/Fisch- und ein vegetarisches Gericht. Ich kann mich in der Schule also gar nicht vegan ernähren. Gleichzeitig verbessert eine vegane Option die Klimabilanz erheblich. Oxford-Wissenschaftler Joseph Poore sagte gegenüber dem Spiegel: „Eine vegane Ernährung ist der wahrscheinlich größte Hebel, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern“. Ich denke, wir brauchen in allen Schulmensen mindestens eine vegane Option. Wir müssen Menschen, die sich tier- und klimafreundlich ernähren wollen, in öffentlichen Kantinen die Möglichkeit dazu geben.
Und viertens muss das Land mehr in alternative Forschungsmethoden investieren. Es kann nicht sein, dass ein reiches Land wie Baden-Württemberg Spitzenreiter im „Verbrauch“ von Versuchstieren ist. Alleine im Jahre 2018 wurden im Ländle mehr als eine halbe Millionen Tiere für Tierversuche „verwendet“.
Letztlich geht es darum, die Tierproduktion und den Fleischkonsum zu senken – aus ethischen, gesundheitlichen und klimaschutztechnischen Gründen.
Daher sollte meiner Meinung nach auch die Landesregierung landwirtschaftliche Betriebe unterstützen, die ihre Produktion auf Bio-Produktion (im Optimalfall Natur- oder Biolandqualität) umstellen und/ oder ihre Tierproduktion reduzieren möchten. Ich befürworte auch eine Ausstiegsprämie aus der Tierproduktion wie es sie in den Niederlanden bereits gibt.
Aber am wichtigsten ist für mich, das Bewusstsein zu stärken. Wir brauchen ein Umdenken was den Umgang mit Tieren angeht. Und da müssen wir bereits in den Schulen beginnen.
Sozis für Tiere: Denkst du, wir werden irgendwann ganz ohne Tierproduktion leben können?
Carsten Singer: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Welt wandelt sich in einem rasanten Tempo. Man muss sich nur mal anschauen, wie sich das Angebot veganer Produkte entwickelt hat. Ich bekomme heute veganen Feta-Käse, eingelegte Karotten, die nach Lachs schmecken, oder vegane Burger-Pattys, die man nicht von Rindfleisch unterscheiden kann.
Ich denke außerdem, dass es bald möglich sein wird, Fleisch in großen Mengen ohne Tierleid im Labor zu züchten. Künstliches Fleisch, das wie „natürliches“ Fleisch schmeckt und die gleichen Nährstoffe hat. Allerspätestens dann gibt es keinen Grund mehr, Tiere für Nahrung zu töten.
Sozis für Tiere: Lieber Carsten, vielen Dank für das Gespräch, deinen Einsatz und viel Erfolg bei der Wahl!
Zu Carsten Singers Tierschutz-Forderungen und seinen Social-Media Kanälen Facebook, Instagram, Twitter.