Tierschutz spielt im aktuellen Entwurf zum SPD-Parteiprogramm nur eine untergeordnete Rolle und die enthaltenen Forderungen sind leider sehr schwach. Wir wollen das ändern!
Deswegen haben wir Vorschläge für Änderungsanträge im Bereich Tierschutz, Ernährung und Landwirtschaft gemacht.
Das Wahlprogramm und der Programmprozess
Der Entwurf des Wahlprogramms der SPD ist in einem längeren Prozess mit vielen Personen und mehreren Beteiligungsmöglichkeiten entstanden.
Auf der Webseite zukunftfuerdich.de werden diesbezüglich Gespräche mit Expertinnen und Experten, Konferenzen und Dialogformate, die Programmwerkstatt und das Debattencamp genannt. Der Parteivorstand hat dann am 01.03. einen Entwurf veröffentlicht und eine Überarbeitung am 21.03. beschlossen. Die Parteibasis hat nun wenige Wochen Zeit, Änderungsanträge zu formulieren. Schließlich wird auf dem 09. Mai über das Programm und die Änderungsanträge auf einem Parteitag beschlossen.
Der Zeitplan
Die Änderungsanträge müssen bis zum 29.03. um 24 Uhr beim Willy-Brandt-Haus eingehen! Es muss keine Mitgliederversammlung stattfinden, ein Beschluss deines Vorstands reicht aus. Das kann auch ein Umlaufbeschluss sein. Der Vorstand muss dann natürlich den Beschluss rechtzeitig weiterleiten!
Warum ist der Entwurf so schwach?
Der Parteivorstand hat sich im Wesentlichen an die Beschlusslage zu halten. Wenn die Beschlusslage (siehe z.B. Parteitag 2019) nicht viel hergibt, kann der Vorstand wenig tun.
Auch deshalb ist eine aktive und mutige Parteibasis so wichtig, die immer und insbesondere jetzt, weitergehende Forderungen stellt.
Unsere Vision
Tiere wurden im Laufe der Zeit von unterschiedlicher Seite sehr verschieden wahrgenommen, einen guten Einblick mit Texten von Rosa Luxemburg und August Bebel liefert beispielsweise das Buch Brüder – Bestien – Automaten. Und entsprechend diverse Ausgangsbasen gibt es auch im „Tierschutz“.
Wir setzen auf einen progressiven Tierschutz. Dieser baut einerseits auf eine seit mehr als hundert Jahren existierende massive linke und auch sozialdemokratische Kritik an Tierkonsum und Tierproduktion, aber auch auf die modernen Tierrechts- und Tierbefreiungsstandpunkte auf.
Wir sagen: Eine andere Welt ist notwendig und möglich. Auch eine Oxford-Studie kommt zu diesem Ergebnis.
Die schwäche des Programms: Tierwohl bedeutet Tierausbeutung
Doch im Entwurf zum Parteiprogramm wird dieser Blick ausgeblendet und unkritisch auf eine naturalistische und ahistorische Tierwohlkonzeption gesetzt. Das kann nicht gut gehen.
Denn Tierwohl heißt so viel wie: Tierproduktion ist in Ordnung, wir haben das schon immer gemacht und deshalb dürfen wir das. Wir brauchen nicht über Alternativen nachdenken.
Das ist aber weder mit bedeutenden tierethischen Perspektiven noch mit linker Kritik zu rechtfertigen.
Ja, Menschen sind etwas besonderes. Nein, das heißt nicht, dass wir dauerhaft Tiere einsperren und dann essen dürfen. Durch gesellschaftlichen und technischen Wandel folgt schon auch eine Aufhebung der Tierindustrie.
Tierleid nicht verlängern
Wenn wir echte Alternativen haben, wir also Tierleid strukturell und massiv senken können und stattdessen doch nur auf Scheinlösungen setzen – die Käfige minimal vergrößern (Tierwohl) – verlängern wir Tierleid.
Denn einerseits werden Bedingungen minimal verbessert, andererseits die Tierproduktion über viele weitere Jahre abgesichert. Sei es auf einer individuellen Ebene à la „Jetzt kann ich wieder mit gutem Gewissen Tiere essen“, über rechtliche Regelungen, die Subventionen oder auch den gesellschaftlichen Diskurs.
Starke Tierschutzforderungen für das SPD-Programm
Was ist also zu tun? Wir brauchen jetzt strukturelle Änderungen, die auch dabei helfen die Klimakatastrophe abzumildern und die Biodiversität zu halten. Das bedeutet aber, die Tierproduktion und den Tierkonsum massiv zu senken.
Wir wollen dies mit den nachfolgenden Änderungen erreichen, die unsere 13 Hauptforderungen ergänzen.
Die folgenden Änderungsanträge beziehen sich auf den Entwurf zum Wahlprogramm.
Gesundheitsvorsorge durch Ernährung
Ergänze S. 26, Z. 31
„Zudem setzen wir verstärkt auf sach-und evidenzorientierte Präventionsmaßnahmen im Bereich Ernährung.“
Ausstieg aus den Tierversuchen
Ergänze S. 26, Z. 7
„Für den perspektivischen Ausstieg aus den Tierversuchen werden wir eine Gesamtplanung inklusive Monitoring und Umsetzungsmanagement aufsetzen und die Gelder für die Entwicklung von tierversuchsfreien Verfahren deutlich erhöhen.“
Kommentar
Siehe auch Beschluss U 158 (Tierversuche beenden!) S. 916, SPD-Bundesparteitag 2019 (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Bundesparteitag/201912_Beschlussbuch_BPT.pdf)
Klimaschädliche Fangnetze verbieten
Ergänze S. 67 Z. 19
„Durch Aufwirbelungen im Meer sind Grundschleppnetze ähnlich klimaschädlich wie der globale Flugverkehr und schaden der Biodiversität. Wir werden uns für einen drastischen Ausbau von entsprechenden Schutzgebieten und ein Zurückdrängen dieser Praxis einsetzen.“
Reduzierungsstrategie für die Tierindustrie
Ergänze S. 67, Z. 22
„In Europa entfallen bis zu 80 % der CO2-Emissionen im Bereich Ernährung auf Fleisch, Milch und Eier. Durch den Futteranbau verbraucht dieser Industriezweig in Deutschland ca. 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Starke Ziele zum Schutz des Klimas, der Biodiversität oder im Tierschutz können ohne eine Verringerung der Tierproduktion gar nicht erreicht werden. Daher stellen wir eine Reduzierungsstrategie für die Tierindustrie auf und beginnen mit der Umsetzung.“
Kommentar
- Ritchie, Hannah und Max Roser: „Environmental impacts of food production“, in: Our World in Data (2020), https://ourworldindata.org/environmental-impacts-of-food (abgerufen am 13.02.2021).
- BMEL: „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ 2015, https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen am 12.02.2021), S. 15.
Ausstiegsprämien und Umschulungen
Ergänze S. 67, Z. 26
„Außerdem wollen wir Tierhalter*innen mithilfe von Ausstiegsprämien und Umschulungen den Ausstieg aus der Tierhaltung ermöglichen.„
Nachhaltige Ansätze unterstützen
Ergänze S. 67, Z. 30
„Daher werden wir nachhaltige Ansätze wie eine deutlich pflanzlichere orientierte Landwirtschaft und Innovationen wie Kulturfleisch unterstützen.“
Keine Zukunft mit und für Tierfabriken
Ergänze S. 67, Z. 30
„Denn Tiere in Fabriken zu produzieren und zu töten ist keine Perspektive für das 21. Jahrhundert.“
Verbandsklagerecht einführen
Ergänze S. 67, Z. 30
„Wir werden ein bundesweites Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine einführen.“
Kommentar
Siehe auch Beschluss U 159 S. 916, SPD-Bundesparteitag 2019 (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Bundesparteitag/201912_Beschlussbuch_BPT.pdf)
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung implementieren
Ersetze S. 68, Z. 38-40
„Wir wollen in staatlich finanzierten Einrichtungen eine den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entsprechende gesundheitsfördernde Gemeinschaftsverpflegung umsetzen. Um gegen Ernährungsarmut vorzugehen soll sie für die Kita- und Schulverpflegung kostenlos sein.“
Nachhaltige Ernährungsangebote stärken
Ergänze S. 68, Z. 40
„Wir müssen aber auch nachhaltige Ernährungsangebote deutlich stärken, wollen wir eine Chance gegen den Verlust der Artenvielfalt und dem Klimawandel haben.“
Nachhaltige Besteuerung von Lebensmitteln
Ergänze S. 68, Z. 42
„Als weiteres Mittel werden wir hierzu die Besteuerung von Lebensmitteln anpassen. Wir wollen die Steuer für tierische Lebensmittel erhöhen sowie für pflanzliche Lebensmittel senken.“
Jetzt bist du gefragt
Bringe Änderungsanträge über deinen Ortsverein – oder in Berlin Abteilung – auf den Weg! Erst mit den Änderungsanträgen können die Delegierten auf dem Bundesparteitag am 09. Mai über starke Tierschutzforderungen abstimmen!
Was du noch tun solltest
- Du hast noch weitere Forderungen, die mit einem progressiven Tierschutz kompatibel sind? Oder auch Überarbeitungen? Melde dich!
- Sprich unbedingt mit deinen Genoss:innen über die Änderungsanträge und teile sie in den sozialen Netzwerken! Um so mehr Gliederungen sie einbringen, um so besser!
- Sprich deine Bundesparteitagsdelegierten auf diese Änderungen und die Schwäche des Wahlprogramms an!
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