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Allenthalben ist die Sehnsucht nach einer anderen SPD zu spüren. Viele Menschen entwickeln Forderungen und Vorschläge, wie sich die neu aufstellen und erneuern soll. Der Parteivorsitzende selbst fordert etwa in einem bemerkenswerten Interview mit der ZEIT „Mut zur Kapitalismuskritik“ ein ((http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-10/martin-schulz-spd-interview)). Allerdings stellt Sozis für Tiere das Fehlen einer starken Kritik noch bei einem anderen Thema fest:

Der Sozialdemokratie in Deutschland ist das Fehlen von Visionen für eine leidfreiere Nahrungsmittelproduktion – heute werden 750 Millionen Tiere im Jahr in Deutschland geschlachtet – vorzuwerfen. Sie verweigert sich größtenteils dieser gesellschaftlichen Debatte, sie wirft keine Fragen auf und kann daher auch keine zukunftsfähigen Antworten geben. Das ist umso tragischer, da die Sozialdemokratie mit Rosa Luxemburg, August Bebel und Willi Eichler einige Vordenker*innen zu dem Thema in ihren Reihen hatte.

Die SPD muss dringend fundierte, d.h. gesellschaftskritische und wissenschaftliche, Positionen entwickeln, ob und wie viele Tiere zukünftig produziert werden sollen und wie umwelt- und klimafreundlichere und tiergerechtere pflanzliche Alternativen effektiv gefördert werden können.

Eine Selbstbeschränkung auf die Verbesserung des Tierwohls und die Einführung eines Tierwohllabels wäre unzureichend und nicht geeignet, wirkliche und flächendeckende Veränderungen zu bewirken.

Sozis für Tiere empfiehlt der SPD in Hessen folgende Punkte in ihr Landtagswahlprogramm 2018 aufzunehmen um starke Kritik und Forderungen an den gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Umgang mit Tieren zu richten und mit Engagement für Alternativen die Stimmen der Wähler*innen zu gewinnen. Denn nicht zuletzt ist für 2/3 der Verbraucher Tierschutz wichtig. 40 % gehen davon aus, dass es den Tieren heute schlechter geht als früher und 73 % der Bevölkerung fordern von der Politik mehr Einsatz für den Tierschutz ((„Einstellung zum Tierschutz: Für gut 2/3 der Verbraucher ist Tierschutz wichtig, nur für 13,1 % ist das Thema bedeutungslos, ein Viertel ist gleichgültig. Dabei gehen 41,3% der Befragten davon aus, dass es den Tieren heute in der Landwirtschaft schlechter als früher geht – nur 21,1% denken, die Tierhaltung habe sich verbessert. Dies ist eine sehr skeptische Einschätzung der landwirtschaftlichen Entwicklung.“

(n = 1024/Winter 2015, Zühlsdorf, Spiller, Gauly, Kühl (2016): Wie wichtig ist Verbrauchern das Thema Tierschutz?) )). Daher muss starken Tierschutzforderungen im Landtagswahlprogramm Raum gegeben werden.

Die Ernährungswende beginnt mit uns

Die amerikanischen Academy of Nutrition and Dietetics (AND) ist die weltgrößte Organisation für Ernährungsfachleute. Sie stellt fest: „Gut geplante vegane und andere Formen der vegetarischen Ernährung sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Kindheit und Jugend“. Wer sich glaubhaft für Tierschutz und eine nachhaltige Ernährung einsetzt kommt um die Förderung einer pflanzlich orientierten Ernährung nicht mehr herum. So hat zuletzt auch der konservative Deutsche Tierschutzbund ein veganes Kochbuch herausgegeben. Pflanzlich betonte Ernährungsformen sind klarerweise tiergerechter und erzeugen nach dem Klimaschutzgutachten der Bundesregierung bis zu 38 % weniger Treibhausgasemissionen. Diese nachhaltigen Ernährungsstile nicht länger zu behindern und stattdessen zu fördern muss folglich wesentlicher Bestandteil eines vorbeugenden sozialdemokratischen Tierschutzes sein.

Sozis für Tiere empfiehlt der SPD Hessen daher:

  • Das in Hessen rückläufige europäische Schulmilchprogramm soll, sofern rechtlich möglich, beendet werden.
  • Der Kochunterricht soll verstärkt auf pflanzliche Ernährung setzen und diesen mindestens gleichberechtigt lehren. Gleichzeitig muss Schüler*innen aus ethischen Gründen eingestanden werden keine Tierprodukte zu kochen und zu konsumieren.
  • Über eine Bundesratsinitiative soll die Besteuerung von pflanzlichen Alternativprodukten für Kuhmilch auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz verringert werden, um so steuerliche Benachteiligungen aufzuheben.
  • Das hessische Umweltministerium soll bei eigenen Veranstaltungen nur noch Vegetarisches und Veganes anbieten. Das sozialdemokratische geführte Bundesumweltministerium ging 2017 voran, es wolle durch diese Haltung „glaubwürdig und vorbildlich“ sein.
  • Die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung (Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse) soll gesetzlich verpflichtet werden, vegane Speisen anzubieten. Portugal ist diesen Weg im März 2017 gegangen und hat vor dieser Regelung Kochschulungen durchgeführt.
  • Bestehende Unsicherheiten bei pflanzlich orientierten Ernährungsstilen – insbesondere bei der veganen Ernährung – sollen durch weitere Forschung aufgelöst werden. Beispielsweise kann die Forschung des renommierten Instituts für alternative Ernährung in Gießen unterstützt werden. Der Staat hat hier eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürger*innen, die sich über ihren Konsumstil besonders für Tiere und Umwelt einsetzen.

Landwirtschaft – Die Zukunft ist offen

Die SPD muss gesellschaftskritische und wissenschaftliche Positionen entwickeln, ob und wie viele Tiere zukünftig produziert werden sollen und wie umwelt- und klimafreundlichere und tiergerechtere pflanzliche Alternativen effektiv gefördert werden können. Bis es zu diesen Positionierungen gekommen ist, reichen Nachhaltigkeitserwägungen, um den Tierbestand bedeutsam zu reduzieren, wie einmal in der Diskussion um den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung angedacht.

Sozis für Tiere empfiehlt der SPD Hessen daher:

  • Agrarfördermittel sollen verstärkt eine pflanzenorientierte Landwirtschaft unterstützen, die zudem ohne tierische „Veredelungsverluste“ auskommt.
  • Insbesondere sollen Proteinpflanzen wie Lupinen, aus denen eine tierschutzgerechte und umweltfreundliche Alternative zu Tierprodukten hergestellt werden kann, gefördert werden.
  • Bei Stallbauten ist die Herabsetzung der Mengengrenzen zur Erreichung eines Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung sowie eine bereits bei einer niedrigeren Anzahl von Tieren einsetzende Verpflichtung, ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz durchzuführen, notwendig.

Bildung – Umdenken in den Bildungseinrichtungen

In dem SPD Regierungsprogramm aus dem Jahr 2013 heißt es: „Der Ausbau der Ernährungsbildung an Kindergärten und Schulen ist ein wichtiger Baustein, um die Veränderung von Konsumgewohnheiten zu fördern, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und nachhaltigen Konsum zu lernen“. Das ist weiterhin richtig, doch gleichzeitig muss hinterfragt werden was im Bereich Tierschutz unterrichtet werden soll.

Sozis für Tiere empfiehlt der SPD Hessen daher:

  • Es ist sicherzustellen, dass zumindest die ernährungsphysiologischen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Bereich der Schulverpflegung eingehalten werden. Derzeit wird deutlich zu häufig Fleisch und Wurst angeboten, während das Angebot von Gemüse, Salat und Rohkost zu kurz kommt.

Der Tierschutz im Unterricht soll nicht nur den politischen Status Quo verteidigen, sondern darüber hinaus fragen, ob die Unterscheidung Haustier und Nutztier moralisch Sinn ergibt und ob das Tierwohlkonzept wichtige gesellschaftlichen Fragen zum Mensch-Tier-Verhältnis nicht vollkommen offenlässt. Tierschutz soll daher vor allem im Ethik- und Politikunterricht gelehrt werden.